Das ist meine Geschichte. Und das war mein Haus. Zumindest habe ich das für fast ein Jahr geglaubt. Und das jetzt ist mein Schlusspunkt. Das hier muss ich jetzt tun. Das habe ich mir geschworen. Es ist die Geschichte des Traumes von einem Haus, von einem besonderen Ort, in den Vier- und Marschlanden. Und wie das nichts geworden ist. Das ist meine Therapie; wie wenn jemand ein Bild malt, ein Lied schreibt, oder sonstwas macht, um etwas zu verarbeiten.
There is a house built out of stone
Wooden floors, walls and window sills
Tables and chairs worn by all of the dust
This is a place where I don’t feel alone
This is a place where I feel at home
— The Cinematic Orchestra
Die schönste Zeit meines Lebens. Die Sonne lacht, Musik auf den Straßen und ich habe Urlaub. Die Kinder lachen, Oma und Opa sind da und ich träume und staune, was ich alles mit diesem tollen Haus anfangen könnte. Die Ideen hören nicht auf, aber ein Bild hatte ich sofort im Kopf: Mein altes Klavier steht in der großen Diele und ich spiele dieses Lied. To Build A Home.
Ich bin zusammengebrochen, ich habe geflucht, ich habe geheult, ich habe geschwiege und ich habe geweint. Ich muss dieses Haus hinter mir lassen, an das ich seit über fünf Jahren jeden Tag denke. Man munkelt, dass jetzt etwas mit diesem Haus passiert. Das freut mich für das Haus. Aber nicht für mich. Das, was ich jetzt mache in unserem Haus, liebe ich über alles. Aber ich hatte noch so viele Ideen, die nun mal leider auch Platz brauchen. Und den habe ich nun nicht. Aber so ist das Leben eben. Orte sind meine besten Freunde.
Mit einer E‑Mail vom Besitzer, die ich 3 Tage vor dem Hauskauf erhalten habe, bin ich zu einem anderen Menschen geworden. Ein Anruf, und du weißt, wer der Kuchen, und wer der Krümel ist. (Ich möchte hier niemanden kritisieren, das hier tue ich nur für mich; und wer hier was vermutet, hat nichts mit mir zu tun.)
“Sehr geehrte Eheleute Timmann, leider muss ich Ihnen heute mitteilen, dass ich einen Verkauf zum jetzigen Zeitpunkt aus verschiedenen Gründen nicht realisieren kann. … Zahlen sie mal ihr kleines Haus ab … “, was da – warum genau – entschieden wurde, will ich gar nicht wissen. Ich kann es mir denken.
Ich habe geträumt von dieser E‑Mail. Von diesem Haus. Immer wieder. Jahre lang. Es hört nicht auf. Ich habe meinen Glauben verloren. An alles. Alle sagen immer, glaube an dich, dann schaffst du das schon. Aber “There’s no magic in this world” ging mir lange an dunklen Tagen und in noch viel dunkleren Nächte und Wochen und Monaten durch den Kopf. Dies ist das größte Trauma meines Lebens. “Once in a lifetime”. Diese Chance kommt nie wieder. Das ist, was ich denke. Das war mein Lebenstraum.
Ich habe ein dreiviertel Jahr alles für das Haus getan. Anträge, Baupläne, Konzepte, Ideen, Gespräche, Telefonate und so weiter und sofort. Die schriftliche Finanzierungsbestätigung der Bank, alles war da. Jede freie Sekunde habe ich so so lange investiert. Und ich bin ja nicht blöde. Ich wollte mich schriftlich absichern, aber es hieß nur, das ginge nicht. Aber ein “hanseatisches Ehrenwort” sollte ja wohl reichen. Pustekuchen. Das Haus war weg. Ich habe danach über Wochen und Monate und Jahre E‑Mails geschrieben, Anrufe gemacht, ich habe gebettelt und ich hätte am Liebsten meine Seele verkauft. Aber die Welt ist nicht so. Die Welt ist kein Film. Es gibt kein Happy End. Das Haus ist weg. Und es bleibt weg.
Im Nachhinein habe ich mich an dem Morgen, an dem es passiert ist, wie von außen gesehen. Ich stehe am Deich. Der Wind weht. Es ist kalt. Ich habe gerade meine Kinder in den Kindergarten gebracht. Und da fährt ein großes Auto an mir vorbei. Wir grüßen uns. Alles scheint gut. Doch da war schon alles aus.
Der Vorstand einer Bank sagte, er hätte noch nie jemanden gesehen, der so viel Pech hatte. Denn, und das habe ich ganz vergessen, das war nicht das erste Haus, mit dem wir viel Arbeit hatten und dann doch verarscht wurden. Über fünf Jahre lang haben wir alles versucht. Man fängt dann ja auch an, an sich zu zweifeln. Aber einen Traum, den man seit über 10 Jahren hat, kann man nicht einfach aufgeben.
Es ist dieses etwas, das für mich ein altes Haus ausmacht. Es geht nicht nur um das Alter, die Baukunst oder die Geschichte. Es ist viel mehr. Es ist dieses etwas, das man nicht in Worte fassen kann. Dieses etwas, das nur diese alten Häuser in sich bergen. Für mich hat jedes dieser alten Häuser eine Seele. Es erzählt mir etwas, wenn ich genau hinhöre. Ich spüre etwas, wenn ich es genau betrachte. Generationen an Menschen und Tieren und Geschichten und Schicksalen. Und so ist jedes dieser Häuser ganz einzigartig. Ein Zauber, den nicht jeder spürt. Und doch ist er da. Wie der Wind, der weht. Manchmal.
Aber es ist nicht alles schlecht. Denn dank einer einzigen E‑Mail habe ich etwas gelernt. Und das ist das Wichtigste im Leben. Ich bin gesund. Und viel wichtiger – meine Frau und meine Kinder sind gesund. Und ich habe Menschen, die für mich da sind. Das Leben ist so wertvoll. Das habe ich vorher immer für selbstverständlich gehalten. Aber das ist es nicht. Und das ist vielleicht die Moral von der Geschicht’.
Meine Träume leben weiter. Ich möchte noch so viel mit besonderen Orten und besonderen Häusern für besondere Menschen tun. An einem anderen Ort vielleicht. Oder in einem anderen Leben. Denn leider habe ich auch nur begrenzte Möglichkeiten. Aber DIESES Haus lasse ich jetzt hinter mir.