Das Rieck Haus – eine klei­ne Vorgeschichte

Kapi­tel 9

Ein Ein Portemonnaie

Ein paar Jah­re spä­ter. Ich ste­he auf, grei­fe mei­ne Jacke, grei­fe in die Sei­ten­ta­sche – und zucke zusam­men. Wo ist mein Porte­mon­naie? Ich grei­fe in die ande­re Jacken­ta­sche, grei­fe in die Hosen­ta­schen, suche mei­ne rest­li­chen Taschen ab, doch wo ist mein Porte­mon­naie? Mein Ruck­sack? Wo ist mein Ruck­sack? Er liegt hin­ter dem Bis­ley! Ich schnap­pe ihn, rei­ße sei­ne Taschen auf und schüt­te­le so lang, bis alles zu Boden fällt. Doch mein Porte­mon­naie ist nicht da!

Dann set­ze ich mich hin und den­ke, mein Leben klappt zusam­men. Denn mein Job klappt über mir zusam­men, mei­ne Ehe klappt über mir zusam­men und zu guter Letzt klappt auch noch mein Auto über mir zusam­men (Total­scha­den, was im Ange­sicht der rest­li­chen Pro­ble­ma­ti­ken eher zu den ange­neh­me­ren Übeln zählt). Ich habe noch nie in mei­nem Leben etwas Wich­ti­ges ver­lo­ren. Und jetzt mein gan­zes Porte­mon­naie? Wann soll ich den gan­zen Mist denn jetzt besor­gen? Geld war eh keins drin. Aber wann soll ich mir die Zeit neh­men, zu fünf­zig­tau­send Behör­den zu ren­nen, um alle mei­ne Kar­ten und so wei­ter wie­der zu besorgen?
Ich sper­re mei­ne Kon­to, rufe beim Fund­bü­ro an – „O, da pro­bie­ren sie das doch nächs­te Woche noch mal, das dau­ert in der Regel – wenn es über­haupt wie­der auf­taucht. Machen sie sich nicht zu viel Hoff­nung.“ –, über­le­ge, was ich noch machen muss, egal. Wo hab ich das Porte­mon­naie ver­lo­ren? Ich ste­he auf, mach mich fer­tig, früh­stü­cke, zieh mich an, geh aus dem Haus und ver­pas­se fast den Bus – der Bus! Ich ren­ne zum Bus, weil ich spät dran bin, zücke mei­ne däm­lich HVV-Kar­te, die man jetzt jedem Bus­fah­rer beim Ein­stei­gen vor die Visa­ge hal­ten  muss, will mich hin­set­zen, doch da klin­gelt mein Han­dy. Heinz Wer­ner! Ich gehe ran, und er erzählt mir, was ich viel­leicht noch mal schnellst­mög­lich aus­pro­bie­ren könn­te, um noch etwas an der hoff­nungs­lo­sen Situa­ti­on zu ändern. Ja, ja, das mach ich!, er erzählt mir, wen ich anru­fen soll, was ich wem schi­cken soll und sonst­was. JA!
Ich fah­re über die Fel­der in Och­sen­wer­der, der Bus blub­bert vor sich hin, die Bäu­me pras­seln mono­ton an den Schei­ben vor­bei, und ich den­ke und den­ke und den­ke. Wie, wann, wo, wie viel Zeit habe ich noch? Die Son­ne schnei­det sich mit ihren Strah­len durch die Wol­ken­de­cke und erleuch­tet par­ti­ell die matt­grü­nen Wie­sen. Ein biss­chen wie in Irland, Con­ne­ma­ra. Da geht das auch. Schön ist das, da wür­de ich auch ger­ne mal wie­der hin. Aber jetzt habe ich ande­re Probleme.
Als wir am Haupt­bahn­hof ankom­men, stei­ge ich aus und lau­fe in Gedan­ken ver­lo­ren zur Bahn. Das muss es gewe­sen sein. Ich habe nach dem Tele­fo­nat ver­ges­sen, das Porte­mon­naie wie­der ein­zu­ste­cken. Und jetzt fährt es mit dem Bus bis nach Tim­buk­tu. Oder viel­leicht Hower Haupt­deich, was weiß ich. *

* Das Porte­mon­naie habe ich wie­der­be­kom­men. Ein wirk­lich net­ter, klei­ner Herr aus Rothen­burg­sort, den ich ein­fach nicht ver­ste­hen konn­te (bis heu­te fra­ge ich mich, was er mir mit einem Lächeln im Gesicht alles gesagt hat), hat es im Bus gefun­den. Mei­ne Visi­ten­kar­te war im Porte­mon­naie – er hat mich am Abend ange­ru­fen. Ich bin wirk­lich dankbar.

Tipps für uns?

Wenn ihr irgend­wel­che Tipps für uns habt, wür­den wir uns wirk­lich sehr freu­en, wenn ihr uns anmai­len wür­det (über eine tol­le “Beloh­nung” kön­nen wir dann auch reden ;) info@4lande.de

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